In Nordwestdeutschland werden als Heide baumlose Zwergstrauchbestände auf armen Sandböden bezeichnet, die
natürlicherweise eigentlich nur sehr selten und kleinflächig anzutreffen sind. In den Sandlandschaften entstanden im Mittelalter durch Rodung der Waldgebiete, die nachfolgend in der Regel als Allmende genutzt wurden, jedoch häufig sehr große Heideflächen. Da jedes Mitglied der Markgemeinschaft das Recht hatte sein Vieh auf diesen freien, nur vereinzelt mit Waldresten und Gehölzen bestandene Flächen weiden zu lassen, kam es oft zu einer starken Übernutzung. Neben dem Rindvieh trieb
man am Niederrhein vor allem Schafherden über solche Weiden, da diese besonders wichtig für die regionale Wollproduktion waren. Der regelmäßige Viehverbiss, zusätzlicher Plaggenhieb, der unkontrollierte Holzraubbau und gelegentliches Abbrennen zur Düngung verhinderte eine sukzessive Wiederbewaldung.
Da zu der degradierenden Bodennutzung, die große, weit ausgeräumte Flächen entstehen ließ, jegliche sonstige Form der
Düngung unterblieb, war dieses Ödland besonders nährstoffarm, so dass dieses sich schließlich zu einem ganz eigentümlichen neuartigen Lebensraum für zahlreiche Arten entwickelte. Neben charakteristischen, sehr genügsamen Gräsern, wie Drahtschmiele, gehören hier vor allem Besenheide oder auf etwas feuchteren Böden Glockenheide zu den typischen Arten. Die verschiedenen Heidekrautgewächse verstärken dabei mit ihren Wurzelpilzen, mit deren Hilfe sie
schwer mobilisierbare Nährstoffe freisetzen können, die Versauerung und Auslaugung des Bodens. Die kahlen Landschaften boten zudem ideale Wuchsbedingungen für den Wachholder, so dass die Gebiete, in denen sich dieses strauchförmige, heimische Nadelgehölz verstärkt ausgebreitet hat, auch als Wacholderheide bezeichnet werden. Die Wacholderbeeren ihrerseits erntete man stellenweise ab, um aus ihrem Öl den Wacholderbranntwein zu gewinnen oder sie als Heilkraut und Gewürz zu verwenden. Seit Beginn des 19. Jahrhunderts wurden die Heiden und das Buschland im Untersuchungsraum zunehmend mit Kiefern aufgeforstet oder durch die Einführung mineralischer Düngemittel und eine künstliche Bewässerung in Acker- und Grünland umgewandelt. Die verbesserten Futter- und Strohernten machten zudem die Gewinnung
von Stallstreu durch das Abplaggen oder Mähen überflüssig. Heidegebiete kommen heute nur noch in Restbeständen, wie in der Wankumer Heide, in der Leege Heide bei Elten oder in der Wittenhorster Heide bei Haldern vor. Als Kulturbiotop bieten die verbliebenen Heidefragmente einen wertvollen Lebensraum für Insekten und zahlreiche Reptilien, wie Zaun- und Waldeidechse. Die Heideflächen kann man also als wichtige Kulturdenkmale mit interessanter Lebensraumfunktion bezeichnen,
da sie als natürliche Reaktion auf eine Intensivnutzung zu der Herausbildung einer sehr eigentümlichen und reizvollen Landschaft geführt haben. Die verbliebenen Restflächen stellen Relikte eines Landschaftstypus dar, der am Unteren Niederrhein ursprünglich weite Flächen dominiert hat und daher auch als bedeutendes geschichtliches Zeugnis angesehen werden muss. Seitens des Naturschutzes ist man heute verstärkt bemüht die verbliebenen Heidebiotope zur erhalten. Um eine
ungehinderte Sonneneinstrahlung zu gewährleisten und eine Nährstoffanreicherung zu unterbinden, ist es nötig sukzessive Wiederansiedlung von Pioniergehölzen und Gestrüppen zu verhindern. Im Zuge von Biotoppflegemaßnahmen muss daher gelegentlich eine Schafbeweidung oder Mahd, eine Entfernung der Gehölze und ein Abtragen des durchwurzelten, humosen Oberbodens stattfinden, damit die Lebensbedingungen für Heideorganismen
langfristig gesichert bleiben. Es werden im Prinzip also die historischen Nutzungsformen nachgeahmt. |